Gigi Rüf – Wer diesen Namen hört, weiß sofort, worum es geht: Snowboarden! Der Bregenzerwälder gehört zu den größten Ikonen seines Sports. Warum? Weil er wie kein anderer diesen Lifestyle verkörpert, in über 30 Videoparts mitwirkte und mit Fotos in und auf Magazinen die Aufmerksamkeit auf sich zog. Mit seinem unglaublichen Talent und Unternehmergeist wurde er zur Snowboardlegende. Im Interview erzählt er von seinen Anfängen in Damüls und verrät, warum er bis heute so erfolgreich ist.
Christian, woher kommt dein Spitzname „Gigi“?
Ich bin der Jüngste von vier Geschwistern und meine Schwester konnte als Kind meinen Namen nicht richtig aussprechen. Dann hat sie sowas wie „Kiki“ gesagt und daraus ist dann „Gigi“ entstanden. Der Name ist mir bis heute geblieben. Auch in Damüls gibt es einen „Gigi“, der wie der Ort selbst, gar keine so unwichtige Rolle in meiner Karriere spielt. Christian Klocker war einer der Kollegen im Freundeskreis meiner vier Jahre älteren Schwester, durch die ich den Zugang zum Snowboarden gefunden habe.
Was hat dich von deinem Geburtsort Au nach Damüls gebracht?
Meine Mutter ist Damülserin. Ihr Heimatdorf war als schneesicheres Gebiet bekannt und hat schon damals mehr für das Snowboarden getan. Mit elf Jahren habe ich dort angefangen und den älteren Kids nachgeeifert. Das war 1991 – und das Snowboarden das krasse Neue bei uns. Ich durfte erstmals mit der „coolen“ Gang meiner Schwester mitfahren. Die waren zwar, wie man bei uns sagt, „Rotzlöffel“ und konnten in der Kirche auf der hintersten Bank nicht stillsitzen. Dafür konnten sie aber skate- und snowboarden, und haben diesen neuen Lifestyle verkörpert, der mich so fasziniert hat.
Die Jungs hatten auch immer das beste Snowboard und die tollste Bindung. Sie wurden von Sportgeschäften mit dem neuesten Material gesponsert und ich habe zum ersten Mal von diesem Werdegang gehört. Ich habe mir das auch gewünscht und um Unterstützung bei den einheimischen Geschäften angefragt. Ich war dann auch bei den „Soulsurfers Damüls“ und durfte als 16-Jähriger an der Juniorenweltmeisterschaft teilnehmen. Da habe ich gemerkt, dass ich im Land im vorderen Bereich mitfahre. Die Rennen waren mir aber nie so wichtig. Sobald ich den Fuß in einer Firma hatte, ist es für mich mehr um das Marketing und die Produktentwicklung gegangen.
Auch deine Großmutter hat dich auf diesem Weg beeinflusst. Wie das?
Ja, meine Damülser „Äle“ (Bregenzerwälder-Dialekt für Oma) hat mir eine Kappe aus dem heiligen Burton-Katalog gestrickt, die ich heute noch habe. Durch diesen „Do-it-yourself“ Spirit bin ich auch in die kommerzielle Seite des Snowboardens hineingerutscht. Ich habe als Pro-Model mit Firmen zusammengearbeitet und meine eigenen Produkte entwickelt. Mit Burton und Nike dann später ganze Kollektionen herausgebracht und alle Register in der Selbstvermarktung gezogen, die man ziehen kann. Mir ging es anfangs beim Snowboarden darum, Leute kennenzulernen und zu erfahren, wie der Hase läuft, damit ich zu meinem Material komme. Wettkampftechnisch war ich schon auch präsent, aber es hat sich im Freestyle-Bereich so viel erst entwickelt. Als die internationale Verbandsstruktur zusammengefallen ist, hat mich das nicht wirklich berührt, weil ich bei den Sponsoren schon ein fester Bestandteil im Team war. Ich habe mich fürs Marketing hergegeben und bin dann bei Fotoshootings, Videoparts und in Katalogen gelandet.
Warum hat das mit dir als Markenbotschafter so gut funktioniert?
Vielleicht wegen meiner Arbeitsmoral und weil ich in den Bergen aufgewachsen bin. Ich habe immer die Zusammenarbeit mit den Fotografen und Filmproduzenten geschätzt. Wie sie unter ärgsten Bedingungen im Sturm und Schnee ihre Arbeit machen, hat mir imponiert und mich zu Höchstleistungen angespornt. Ich war mir nie zu schade, einen Run oder Sprung noch einmal zu machen. Ich bin einfach gerne Snowboard gefahren und konnte nicht genug davon kriegen. Die meisten Skills habe ich mir sogar bei Fotoshootings angeeignet. Damit bin ich auch auf der Titelseite des Burton-Katalogs gelandet, der millionenfach gedruckt wurde – das war mein Durchbruch. Die Handelsschule habe ich noch abgeschlossen, aber auch meine Eltern haben dann gesehen, dass ich mit Snowboarden mein Geld verdienen kann.
Mit 19 Jahren hast du an Events und Wettkämpfen teilgenommen, deine ersten Videoparts gedreht und bist allmählich in die Elite des Snowboardens aufgestiegen. Wie kam es dazu?
Mein Sponsor Burton hat mir damals ein „Around-the-World-Ticket“ bezahlt, mit dem ich nach Japan auf ein Halfpipe-Rennen und von dort in die USA zu einem Wettkampf geflogen bin. Mein Team-Manger hat mich dort mit einer Filmproduktion in Verbindung gebracht, bei der ich in Lake Tahoe als erster Mitteleuropäer mitmachen durfte. Aus geplanten zwei Wochen sind zwei Monate geworden. Ein Videopart in Songlänge aus dem Film „Destroyer“ wurde ausgezeichnet und ist dann in den Shops und im Fernsehen gelaufen. Von der größten amerikanischen Snowboardzeitschrift bin ich im selben Jahr zum „Rookie of the Year“ gewählt worden und zur Preisverleihung nach Las Vegas gereist. Das hat mir zusätzlich den Profistempel aufgedrückt. Seither drehe ich jedes Jahr mindestens zwei Videoparts, einen im Ausland und einen in Europa mit meinen Kollegen.
Du fühlst dich eher im Pulverschnee, abseits der Parks am wohlsten. Warum ist das so?
Dazu gibt es auch eine lustige Anekdote aus Damüls. Als junge Kerle sind wir meistens den Uga-Lift gefahren. Wenn einer dann gefragt hat, wo wir fahren, haben alle „Mir gli“ (Bregenzerwälder-Dialekt für „mir egal“) gesagt. Danach haben wir den Uga-Run „Mir gli-Run“ getauft. Der verläuft direkt unter dem Lift, im Pulverschnee abseits der Piste. Ich habe mich damals schon lieber an natürlichen Gegebenheiten orientiert und bin über Liftspurkanten gesprungen. Anders als heute, hat es auch noch keine wirklichen Snowparks gegeben.
Später habe ich dann herausgefunden, dass mich Parks eher limitieren, weil die Wege schon vorgegeben sind. Mir taugt es einfach, dass die Schneeverwehungen so sind, wie sie sind. Deshalb bin ich meinen Wurzeln immer treu geblieben. Ich wollte nicht auf Geländer rutschen, sondern habe lieber Bäume genommen. Dadurch bin ich zum Allrounder geworden und konnte meinen eigenen Stil kreieren. Mein erster Filmdreh in Alaska hat mir damals gezeigt, dass ich überhaupt kein guter Snowboarder war. Schritt für Schritt konnte ich mich in diesem Terrain aber an die riesigen Wechten herantasten, was mich zu einem besseren Fahrer gemacht hat.
Dafür braucht man auch das richtige Material. Hast du deshalb deine eigene Snowboardmarke gegründet?
Ja, auch. Ich hatte einen guten Lauf mit Burton, wollte mich aber selbst neu erfinden. Deshalb bin ich dann von Kopf bis Fuß zu Volcom gewechselt, um mit ihnen gemeinsam mein eigenes Snowboard zu entwickeln. Als börsennotiertes Unternehmen gibt es dort aber neben dem Snowboard-Bereich auch das Skateboarden sowie Musik und Klamotten. Das Projekt passte nie wirklich in die Budgetplanung. Daraufhin habe ich beschlossen, meine Idee einfach selbst durchzuziehen. Mit meinem „SLASH ATV“ Modell habe ich ein Snowboard für alle Gegebenheiten kreiert, dass die letzten zehn Jahre den Ton angegeben hat. Ich wollte kein konventionelles Snowboard mit Antibiegung machen und habe deshalb vorne die Rundung weggenommen, die man zum Fahren nicht braucht. Ein reaktives Brett, das sich an die Bedingungen der Hänge anpasst. In SLASH habe ich alles hineinkanalisiert, was für mich das perfekte Board ausmacht. Ich war immer ein aktiver Snowboarder, der über das Fahren hinausdenkt. Ob bei Tricks oder der Produktentwicklung – ich will immer etwas Neues kreieren, das es so noch nicht gab. Auch der kleinste Macher kann damit die größte Welle auslösen.
In meiner eigenen Firma bin ich jetzt Verkäufer und Entwickler, alles in einem. Die Modelle lasse ich in Europa, genauer gesagt in Polen, produzieren und arbeite mit Kollegen und Künstlern zusammen. Leider stehen die Menschen heute durch Social Media unter so vielen Eindrücken, dass das immer weniger wertgeschätzt wird. So auch im sportlichen Bereich, wer den nächsten Hit macht, ist für 15 Minuten bekannt. Bei SLASH binde ich aber auch meine Kollegen von früher wieder mit ein und kann ihnen damit etwas zurückgeben. Jahrelang war ich viel in der Welt unterwegs, diese Freundschaften kann ich jetzt wieder mehr pflegen.
Die Gründung von SLASH war nicht nur unternehmerisch ein Antrieb, auch sportlich ging es für dich noch mal hoch hinaus.
Ja, genau. Ich bin nach Volcom zu Nike gekommen, habe ein weiteres riesiges Videoprojekt gedreht und wieder an Wettkämpfen teilgenommen. In Alaska habe ich gelernt, dass auch ein einfacher Sprung vor dieser großartigen Kulisse gigantisch ausschauen kann. Das hat meine Perspektive aufs Snowboarden geändert und ich habe herausgefunden, wie ich mich in dieser natürlichen Umgebung bewegen will und kann. Mit der „Natural Selection Tour“ kamen dann Contests, die wie für mich geschaffen wurden. Beim ersten Event bin ich gleich Zweiter geworden und ein Jahr darauf habe ich den Wettkampf gewonnen. Das war ein Quantensprung, den ich allein meinem Snowboard zu verdanken habe. Mein eigens konzipiertes Freeride-Brett mit der spitzigen Nase, was es in der Form für Freestyler damals gar nicht gab, hat mir zu diesem Erfolg verholfen. Daraufhin bin ich genügsamer geworden mit dem, was ich schon erreicht habe. Oftmals frage ich mich, wie ich das alles geschafft habe.
Du bist jetzt 40 und Vater zweier Kinder. Was hast du die nächsten Jahre vor?
Tatsächlich wird man als Vater etwas vorsichtiger. Aber das Gute ist, dass Pulverschnee weich ist. Außerdem bereite ich mich fitnessmäßig mit meinem Cousin Philip als Personal Trainier gut für die Saison vor. Es ist auch schön zu sehen, dass meine Kinder den gleichen Zugang zum Sport finden. Wir gehen gemeinsam Snowboarden, Skateboarden, Mountainbiken oder Wandern. Ich fahre im Winter immer noch viel, und will die Verbindung zur Natur und der sportlichen Seite nicht verlieren. Meine Snowboardmarke werde ich weiterentwickeln und mit meiner Erfahrung neue Talente fördern.
Das Snowboarden ist für mich einfach immer noch das geilste Feeling. Im Tiefschnee zu surfen und mein kreatives Potenzial auszuleben. Die Natur und die Gegebenheiten zu spüren und zu schätzen. Der Sprung in meine Karriere war definitiv mein krassester Sprung. Ich habe immer versucht das Snowboarden mit den Werten zu verbinden, die ich als kleiner Junge kennengelernt habe. Deshalb will ich auch weiterhin Videoparts machen und die Leute mit meinen Stories inspirieren. Der nächste Dreh findet dieses Jahr im Snowpark Damüls statt. Man sagt ja, das Beste kommt zum Schluss.